Käsebier erobert den Kurfürstendamm by Tergit Gabriele

Käsebier erobert den Kurfürstendamm by Tergit Gabriele

Autor:Tergit, Gabriele [Tergit, Gabriele]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Schöffling & Co
veröffentlicht: 2016-01-19T23:00:00+00:00


Achtzehntes Kapitel

Schierlings Gutachten

Als Muschler in Berlin war, kam Oberndorffer noch einmal auf seinen Vorschlag zurück, eine Kapazität zuzuziehen. Oberndorffer versprach sich sehr viel davon. Sein Theaterentwurf war bestechend, die Zimmerlage ungleich günstiger. Wenn er diesen Auftrag bekam, war er ein gemachter Mann. Ganz im Hintergrund dachte er heimlich an großzügige Städtebauaufträge.

Am Mittag aß Oberndorffer mit Gohlisch, Dr. Krone und Augur in der Kommandantenstraße. Oberndorffer erzählte von seinem Projekt, er war Feuer und Flamme und sagte: »Das Gute setzt sich durch.«

»Phantasien vom Bremer Ratskeller«, sagte Gohlisch, »alles setzt sich durch, nur nicht das Gute.«

»Lieber Freund«, sagte Dr. Krone, »Sie scheinen mir sehr jung.«

»Aber Schierling, der so viel kann, Sie müssen wissen, wer Schierling ist!«, sagte Oberndorffer, ein schmaler junger Mann.

»Auch Schierling sagt nichts gegen Otto Mitte«, sagte Gohlisch.

»Aber wenn das andre Projekt so schlecht ist?«

»Mitte zieht es vor, und Schierling tut nur, was Mitte gefällt. Sie können mir glauben.«

Augur nickte düster. »Mitte soll jährlich eine halbe Million Bestechungsgelder zahlen.«

»Das ist eine von Ihren Naivitäten. So primitiv ist es leider nicht, aber viel gefährlicher. Haben Sie sich erkundigt, ob Mitte schon mal mit Schierling gebaut hat?«

»Nein, das habe ich allerdings nicht getan«, sagte Oberndorffer.

»Sie werden ewig auf der Galeere bleiben.«

»Die Leistung setzt sich durch«, lachte Dr. Krone höhnisch. »Von mir ist gestern ein Patient gestorben infolge der wahnsinnigen Nachuntersuchungen. Ich sage, der Mann ist schwer krank, der Oberbonze widerspricht mir, ich mache daraufhin eine Beschwerde, es hilft nichts. Gestern steht der Mann auf, fällt um, ist tot.«

»Mahlzeit«, sagte Gohlisch, »vier Grappa und vier Kaffee. Ich wünsche es Ihnen von Herzen, aber der große Professor wird Ihnen nicht helfen!«

Oberndorffer ließ sich nicht abbringen.

»Ich bitte Sie, mein Projekt bringt 1½-, 2½- und 3½-Zimmerwohnungen, das Karlweißsche sieht nur auf Repräsentation.«

»Kommt ja nicht auf’n Inhalt an«, sagte Gohlisch, »Schierling wird von Mitte beschäftigt, also redet er Mitte zum Mund. Oberndorffer gegen Mitte! Das ist wie Muschkote Kazmierczak gegen Ludendorff im Krieg.«

»Aber Kazmierczak war stärker als Ludendorff.«

»Aber es gibt keine Koalition der Geistigen.«

»Richtig.«

»Die Geistigen sollen Grappa trinken«, sagte Gohlisch. »Ich ersäufe meinen Gram.«

*

Tatsächlich erhob Mitte ein großes Geschrei. »Na, sagen Sie mal, Herr Muschler, was wollen Sie denn noch alles, ich denke gar nicht daran, einen anderen Architekten zu beschäftigen als den bewährten Karlweiß.«

»Aber sehen Sie mal, Herr Mitte, es kann Ihnen doch egal sein, mit wem Sie bauen. Der Oberndorffer ist sehr zuverlässig und genau. Und seine Wohnungen scheinen mir auch besser, und vor allem dringen meine Sozien darauf.«

»Na, was für’n Blaak, Herr Muschler. Sie haben wohl sozialistische Ideen? 1½-, 2½- und 3½-Zimmerwohnungen! Was soll denn das? Kapazität, ich bin mir alleene Kapazität genug, ich brauch kein Professor!«

»Aber ich bezahle ja das Gutachten! Es ist mir ’ne Beruhigung.«

»Na, wenn Sie ’ne Beruhigung brauchen, Herr Muschler, dann können wir ja den Schierling zuziehen. Aber ich bau’ mit keinem andern als mit Karlweiß. So’n junger Architekt, was der für Zicken macht, der baut die Zimmer 2,80 Meter hoch und so klein, daß man drei Fliegen, aber keine Menschen reinsetzen kann. Nee, nee, ich bin nicht für so ’ne



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